Roger

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Hallo, mein Name ist Roger, ich bin Spieler und habe die letzte Woche nicht gespielt …
Warum sage ich so etwas fragst Du Dich vielleicht. Dann sage ich, weil ich es gern sagen möchte. Nicht nur gern sondern mit Inbrunst am liebsten würde ich es laut in die Welt hinausschreien: „Ich habe nicht gespielt.“ Aber dann würden sie mich sicher in eine geschlossene Anstalt einliefern und genau das möchte ich nun auch wieder nicht. Aber es steckt eine ganze Menge hinter dieser Aussage: „Ich habe nicht gespielt.“ Viel mehr als ich es an dieser Stelle ausdrücken kann. Aber ich versuche es einmal.

Alles begann vor etwa 10 Jahren. Ich war Soldat, ziemlich gefrustet und aufs tödlichste gelangweilt. Meinem Leben fehlte der Kick, etwas Aufregendes oder vielleicht nur ein kleines Abenteuer. Jeden Tag kam ich in diese Kaserne, in einer olivfarbenen Uniform, die ich schrecklich fand. Eingekleidet in ein aufgesetztes Pflichtbewusstsein, das ich nicht haben wollte und eingereiht in eine Befehlsstruktur, die ich nicht abschütteln konnte. Also was tun, um dieser … zu entkommen?

Ich entschloss mich, mir ein neues Hobby zuzulegen. Im Mannschaftskasino der Kaserne hingen zwei spannende Spielautomaten, die ich nach eingehender Sichtung als Testens Wert empfand. Ich steckte etwas Geld hinein und gewann auf Anhieb 12 DM … ja DM, die gab es früher vor dem Euro und war für einen Soldaten schon Geld. Toll dachte ich, durch bloßes Drücken leuchtender Knöpfe, kann ich mein kärgliche Salär vervielfachen. Das geht …

Ich gab mich also meinem neuen Hobby hin und versuchte ich möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu ‚verdienen’. So füllte ich also meine Freizeit mit einer sehr einträglichen Beschäftigung … dachte ich. Nur leider wusste ich ein entscheidendes Detail nicht: „Der Automat gewinnt immer.“
Also stolperte ich unaufhaltsam dem Abgrund entgegen ohne es zu bemerken. Ich bildete mir tatsächlich ein, ich könnte das Ding beherrschen dabei beherrschte es längst mich.

Nun lebte ich ein neues anderes Leben. Morgens aufwachen und den ersten Gedanken des Tages genießen: Heute kann ich wieder spielen gehen. Getrübt wurde dieser allmorgendliche Gedanke allerdings zusehends von der Angst, nicht rechtzeitig das dafür benötigte Geld zu bekommen. Natürlich war Geld am Anfang da; Konto überziehen – umschulden auf Darlehen – Geld leihen bei Eltern und Freunden waren die ersten Schritte, die es galt auszuschöpfen, der klassische Weg also. Nur sind die legalen Möglichkeiten irgendwann ausgeschöpft, weil ERschöpft. Was zwangsläufig bedeutet, dass irgendwann die illegalen – sprich kriminellen – Möglichkeiten ausgelotet werden. Dieser Schritt ist fast zwangsläufig. Es beginnt ganz harmlos mit einem Gedanken oder einer Gelegenheit. Bei mir war es die Möglichkeit auf Geld zugreifen zu können, welches mir aufgrund meiner Funktion bei der Bundeswehr anvertraut worden war. Anfangs konnte ich noch Barchecks zum Kaschieren einsetzen, die im Falle einer Kassenprüfung für – wenn auch fiktive – Deckung gesorgt hatten. Doch leider oder sollte ich besser sagen zum Glück flog dieses Konstrukt irgendwann auf und ich musste zu Kreuze kriechen und alles auf den Tisch packen. Damals hatte ich Glück, dass der Fall nicht an die große Glocke gehängt wurde und dass nach Rückzahlung des unterschlagenen Geldes nur meine Position eingeschränkt wurde, aber diese Tatsache war für mich der erste Schritt hinaus aus der Sucht.

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